Zu viele Geschichten
Vor der Zeit, als Paul Cheesman seine Thesen an der Brigham-Young-Universität schrieb, verkündeten Mormonenschreiber nachdrücklich, dass Joseph Smith „nur eine Geschichte“ von der Ersten Vision erzählte. Der Mormonenapostel John A. Widtsoe erklärte: „Der früheste erhältliche geschriebene offizielle Bericht von der Ersten Vision stammt aus 1838, als Joseph Smith begann, die Geschichte der Kirche zu schreiben.“ (Joseph Smith--Seeker After Truth, Seite 19)
Wir mögen niemals erfahren, ob John A. Widtsoe von den beiden „merkwürdigen“ Berichten über die Vision wusste, die vor 1838 geschrieben wurden, aber eines ist sicher: Einige Mormonenführer wussten, dass der Bericht, der 1838 geschrieben wurde, nicht der einzige im Geschichtsschreiberbüro war. In anderen Worten: Bestimmte Führer unterdrückten absichtlich diese Information.
Nun, da diese “merkwürdigen” Berichte gedruckt und weit verbreitet worden sind, sind die Mormonenapologeten gezwungen, ihre Existenz und Echtheit zuzugeben. Dr. Richard L. Anderson von der Brigham-Young-Universität ist aber einen Schritt weiter gegangen. Er erkennt nicht nur die Echtheit der „merkwürdigen“ Berichte an, sondern er ordnete sie auch als „offizielle Berichte von der Ersten Vision des Propheten“ ein:
„Bevor man beweisen kann, dass Joseph Smith mit dem Geschichtsbericht im Widerspruch stand, muss man sicher sein, was Joseph Smith behauptete. Es gibt vier offizielle Berichte von der Ersten Vision des Propheten. Die drei handschriftlichen Texte sind in Dean Jessees Artikel zu diesem Thema abgedruckt. Wie er zeigt, sind die Daten ihrer Erstellung 1831-32, 1835 und 1838. Dieser Bericht von 1838 wurde 1842 in der 'History of Joseph Smith' veröffentlicht. Der vierte Bericht ist Joseph Smiths ‚Wentworth-Brief’, ebenfalls 1842 veröffentlicht.“ (Brigham Young University Studies, Frühjahr 1969, Seite 374)
Dr. Anderson geht sogar so weit, dass er erklärt: „Die niederschmetterndste Einsicht in die frühesten religiösen Erlebnisse des Propheten kommt aus dem handschriftlichen Geschichtsbericht von 1831-32.“ (Ebenda, S. 375)
Die Mormonenzeitung Deseret News hat jetzt die Echtheit der „merkwürdigen“ Berichte zugegeben, aber man tut so, als seien sie neue Entdeckungen:
„Dean C. Jessee, ein Mitglied des Personals des Kirchengeschichtsschreiberbüros in Salt Lake City, durchforschte die Dokumente der Kirchengeschichtsbibliothek in Bezug auf die Ereignisse der 1820er. Er fand und analysierte drei frühe Berichte von Joseph Smiths erster Vision, die vom Propheten selbst diktiert wurden.“ (Deseret News, Kirchenteil, 3. Mai 1969, Seite 15)
Dieser Artikel vermittelt den Eindruck, dass Dean C. Jessee gerade die „merkwürdigen“ Berichte entdeckte. Eigentlich haben einige Mormonenführer seit Jahren von der Tatsache gewusst, dass der abgedruckte Bericht nicht der einzige Bericht war, den Joseph Smith geschrieben hatte. Der Leser wird sich erinnern, dass Leve Edgar Young einige Dokumente gesehen hatte, die einen „merkwürdigen“ Bericht von der Ersten Vision enthielten, und zwar vor dem Interview mit LaMar Petersen im Jahr 1953, aber dass ihm „gesagt wurde, keine Kopie zu machen oder zu erzählen, was sie enthielten“. Der Leser wird sich erinnern, dass wir den ersten „merkwürdigen“ Bericht 1965 druckten.
Die Kirche hat diese Dokumente 130 Jahre lang unterdrückt, aber jetzt versuchen Mormonenapologeten so zu tun, als wären sie stolz auf sie. Dr. Truman G. Madsen von der Brigham Young Universität behauptet, dass die Harmonie dieser Dokumente beeindruckend ist: „Nun, da wir Kopien von den drei frühen handschriftlichen Berichten von der Ersten Vision haben, die in diesem einen Band zusammengefasst sind, sind wir beeindruckt von ihrer Harmonie in Bezug auf die sehr verschiedenen Umstände ihrer Erstellung…“ (Brigham Young University Studies, Frühjahr 1969, S. 240)
Richard L, Bushman gibt zu, dass es einige Variationen in der Geschichte gibt, aber er erklärt: “Die Gründe für das Aufpolieren der Geschichte haben gewöhnlich mit Änderungen in plötzlichen Umständen zu tun. Wir wissen, dass Joseph unter Angriffen gegenüber seinem Charakter litt… Einige wundern sich darüber, dass er sein Gebet um Vergebung später in Berichten von der Vision herunter spielte… Man würde in der einfachsten und wahrsten Geschichte Variationen erwarten.“ (Dialogue, Frühjahr 1969, Seite 83)
Auf Seite 91 desselben Artikels sagt Dr. Bushman: „Eigentlich muss es in jedem Bericht über ein Ereignis Variationen geben, einfach weil der Erzähler den einen oder anderen Teil der Geschichte betont. Einfache Flüchtigkeitsfehler mögen für weitere Abweichungen gesorgt haben. Zum Beispiel in der Geschichte von 1831 platziert Joseph die erste Vision in sein sechzehntes anstatt fünfzehntes Lebensjahr, ein Fehler, den ich mit Leichtigkeit entschuldigen kann, wenn ich in Betracht ziehe, dass ich ständig nachdenken muss, wie alt jemand in seinem fünfzehnten Lebensjahr ist.“
Während es wahr ist, dass es für Joseph Smith leicht gewesen wäre, einige Fehler in Bezug auf die Vision zu machen, müssen wir Wesley P. Walters zustimmen, wenn er erklärt: „Die Sache ist viel tiefer als nur ein Ausrutscher des Gedächtnisses, was die Datierung betrifft, denn es geht genau in das Wesen der Geschichte selbst.“ (Dialogue, Frühjahr 1969, Seite 70)
Wir würden natürlich in jeder Geschichte einige Variationen erwarten, aber wir meinen, dass es in Joseph Smiths Geschichte so viele Variationen gibt und dass sie von solcher Natur sind, dass sie es unmöglich machen, sie zu glauben. Der Leser wird sich erinnern, dass in dem ersten geschriebenen Bericht Joseph Smith erklärte, dass ihm nur EINE Person erschien. Der zweite Bericht sagt, dass es VIELE gab, und der dritte Bericht sagt, dass es ZWEI gab. Wie können wir solche Abweichungen unter einen Hut bekommen?
Im Nachtrag zur neuen Ausgabe ihres Buches, Seite 409, erklärte Mrs. Brodie: „Fromme Mormonengelehrte haben es deutlich gemacht, dass sie glauben, dass die Abweichungen zwischen den drei Visionen keine Konsequenz hätten. Aber für den Unfrommen sind die Abweichungen ein Beweis für Joseph Smiths überschwängliches Talent, vor einer anregenden Zuhörerschaft zu improvisieren, und für seinen Mangel an Sorge über Folgerichtigkeit im Detail. Sie bestätigen meine ursprüngliche Spekulation, dass die erste Vision, wenn sie nicht eine Erfindung war, ein sich fortentwickelndes Phantasiegebilde ist, das mit ‚einen halberinnerten Traum beginnt, der durch die frühe Wiedererweckungsaufregung stimuliert und durch die reiche Folklore an Visionen verstärkt wurde, die in seiner Nachbarschaft zirkulierte.“
weiter