Clandestines Irrtümer

Der anonyme Mormonenhistoriker, den wir Dr. Clandestine nennen, hat einen ergreifenden Versuch unternommen, Joseph Smiths Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Erste Vision zu retten. Clandestine erkennt offenbar die ernste Natur der Abweichungen in Joseph Smiths Berichten von der Ersten Vision. Anders als die Mormonenapologeten Dr. Hugh Nibley und Apostel John A. Widtsoe scheint Dr. Clandestine bereit zu sein, zuzugeben, dass es „abweichende Berichte von Joseph Smith über dieses Erlebnis“ gibt, und anstatt irgendeine überzeugende Verteidigung für die Behauptung zu liefern, dass Joseph Smith 1820 Gott Vater und Seinen Sohn Jesus Christus sah, versucht er die Bedeutung der Vision zu bagatellisieren:

„Eine entscheidende Frage, die der Ausgangspunkt für die Auslegung der Ersten Vision ist: Welche Bedeutung hat dieses Erlebnis (wie in jeder Beschreibung darüber von Joseph Smith erzählt wird) für den Mormonismus als eine Bewegung und den Anspruch der HLT-Kirche, eine prophetengeführte Wiederherstellung einer antiken Kirche Christi zu sein?... Das Erlebnis der Ersten Vision von Joseph Smith Jun. hatte für seine späteren Ansprüche über das Buch Mormon, seine prophetische Berufung oder das Konzept eines göttlich wiederhergestellten Priestertums und einer göttlich wiederhergestellten Kirche keine Bedeutung… sie ist ein persönliches Erlebnis, das nur deshalb mit dem Mormonismus in Zusammenhang gebracht wird, weil es dem Übersetzer des Buches Mormon geschah…

Die Berichte von der Ersten Vision beschreiben übereinstimmend ein Erlebnis, das stark persönlich für Joseph Smith war und weniger eine Offenbarung von Bedeutung für seine Anhänger… Mormonenhistoriker haben das ganze Thema für Angriffe verwundbar gemacht, indem sie zu viel Betonung auf das Frühjahr 1820 gelegt haben, als das Datum der Ersten Vision. Die offensichtliche Unsicherheit des Gedächtnisses des erwachsenen Joseph Smith und die Mehrdeutigkeit seiner Beschreibungen im Erwachsenenalter liefern einen möglichen Zeitrahmen für die Erste Vision, der vom Frühjahr 1818 vor seinem vierzehnten Geburtstag (‚Ich war ungefähr 14 Jahre alt’) bis zum Frühjahr 1822 (‚In meinem 16. Lebensjahr’)…

Ich gestehe offen den skizzenhaften Charakter der Berichte Joseph Smiths von seinen frühen religiösen Erlebnissen ein und dass einige Mormonenschreiber sich geirrt oder sich unzulänglich beim Gebrauch der geschichtlichen Quellen verhalten haben.“ (Jerald and Sandra Tanner's Distorted View of Mormonism, Seite 29-31, 34, 39)

Dr. Clandestines gesamte Abhandlung der Ersten Vision scheint ein verzweifelter Versuch zu sein, mindestens etwas aus der Masse von widersprüchlichem Material zu bergen. Sein Versuch, die Bedeutung der Vision herunter zu spielen, wird wahrscheinlich bei orthodoxen Mormonen nicht gut ankommen. Während ein gerade Bekehrter wegen Dr. Clandestines Argumentation fallen könnte, wissen diejenigen, die eine gewisse zeitlang in der Kirche gewesen sind, dass die Erste Vision als das Fundament der Kirche verkündet worden ist. Apostel Widtsoe sagte: „Die Erste Vision von 1820 ist von erster Wichtigkeit in der Geschichte Joseph Smiths. Auf ihrer Realität ruht die Wahrheit und der Wert seines nachfolgenden Werkes.“ (Joseph Smith--Seeker After Truth, S. 19) Präsident David O. McKay erklärte deutlich: „Das Erscheinen des Vaters und des Sohnes bei Joseph Smith ist die Grundlage für diese Kirche.“ (Gospel Ideals, S. 85) Dass Dr. Clandestine versuchen würde, die Bedeutung der Ersten Vision zu bagatellisieren, ist kaum zu glauben. Wir haben das Gefühl, dass dies in die Rechtfertigung unserer Arbeit zu dieser Vision gipfelt. In einem Brief vom 26. Februar 1980 musste G. Homer Durham, Verwaltungsdirektor der Kirchengeschichtlichen Abteilung, zugeben, dass Dr. Clandestine mit seinen Zugeständnissen zur Ersten Vision zu weit gegangen war:

Die Benennung, die sich der anonyme Autor, auf den sie sich beziehen, zu eigen machte, war eigene Meinung und hat keine Autorität, außer die Meinung eines anonymen Schreibers. Viele stilisieren sich als ‚Mormonenhistoriker’, aber sie sprechen alle in Eigenverantwortung. Die verantwortlichsten Historiker des HLT-Glaubens, die mir bekannt sind, haben Anschauungen, die sich der anonymen Aussage widersprechen, dass Mormonenhistoriker ‚zu viel Betonung auf das Frühjahr 1820 als Datum der Ersten Vision gelegt haben’. Sie unterstützen eher die Aussage des oben erwähnten Propheten und ich tue dasselbe.

Auf den Seiten 30-32 seiner Erwiderung geht Dr. Clandestine so weit, dass er die Erste Vision von Joseph Smiths göttlicher Berufung abtrennt. Angesichts all dieser gegenteiligen Beweise sagt Dr. Clandestine, dass „die Unterscheidung zwischen privatem Erlebnis und göttlicher Berufung die abstechende Propaganda erklärt, die für die Engel-Moroni-Geschichte und für die Erste Vision gemacht wird… das private Erlebnis der Ersten Vision, das nichts mit dem Entstehen des Mormonismus zu tun hat, außer dass es (wie das Ereignis der Knochenoperation Joseph Smiths, die in einem der handschriftlichen Geschichtsberichte von seinem frühen Leben enthalten ist) eines aus der Masse von autobiographischen Einzelheiten war, das von Interesse für Personen sein würde, die das Leben des Mannes zu verstehen versuchen, der das Buch Mormon und den Mormonismus selbst hervorbrachte. Als Joseph Smith schließlich einen Bericht von der Ersten Vision veröffentlichte, betitelte er ihn (in bedeutendem Kontrast zu Cowderys Erzählung von 1834) angemessen: ‚History of Joseph Smith’.(Jerald and Sandra Tanner's Distorted View of Mormonism, Seite 31-32)

Dr. Clandestine wollte uns offensichtlich glauben lassen, da Joseph Smith seinen Bericht in den Times and Seasons mit "History of Joseph Smith" betitelte, anstatt mit „History of the Church“, dass wir nicht glauben müssen, dass es irgendetwas mit dem Entstehen des Mormonismus zu tun hätte. Wenn er den Abschnitt gelesen hätte, der direkt unter dem Titel erscheint, hätte Dr. Clandestine niemals einen solchen gravierenden Fehler begangen:

In der letzten Ausgabe gab ich einen kurzen Geschichtsbericht über die Entstehung und den Fortschritt der Kirche. Ich gehe nun mehr auf die Einzelheiten jener Geschichte und den Auszug aus meinem Tagebuch ein. JOSEPH SMITH.

(Times and Seasons, Bd. 3, Seite 726)

Wenn Dr. Clandestine sich der Ausgabe vom 15. April 1842 von Times and Seasons, Seite 753, zugewandt hätte, hätte er denselben Titel ("History of Joseph Smith") entdeckt, jedoch würde er den Bericht vom Engel Nephi vorfinden—der später in Moroni geändert wurde—der Joseph Smith von den „Goldplatten“ erzählte, von denen er das Buch Mormon übersetzte. Die logische Ausweitung von Clandestines Argumentation wäre, dass die Geschichte vom Buch Mormon nichts mit der Mormonenkirche zu tun hätte.

Früher in diesem Kapitel präsentierten wir Information, die zeigt, dass Wesley P. Walters demonstrierte, dass „es 1820 in keiner der Kirchen in Palmyra oder seiner Umgebung eine Wiedererweckungsbewegung gab.“ Dr. Clandestine scheint zu erkennen, dass es im Lichte von Walters Forschungsarbeit schwierig wäre, zu behaupten, dass es 1820 eine Wiedererweckungsbewegung gab. Deshalb versucht er Joseph Smiths Geschichte in den Zeitrahmen einer Wiedererweckungsbewegung einzupassen, die 1817 stattfand:

Die kombinierten Daten aus den Berichten von 1838 und 1832 schaffen deshalb die Möglichkeit, dass die religiösen Wiedererweckungsbewegungen, die Joseph Smith beeindruckten, sich schon 1817-1818 ereigneten. Trotz ihres Beharrens auf das Jahr 1820 präsentieren die Tanners selbst Information, die die obige Möglichkeit stützt: auf Seite 65 zitieren sie das 1887er-Buch von M. T. Lamb, dass sich die Wiedererweckungsbewegung ‚vor sechzig oder siebzig Jahren’ (1817 bis 1827) zutrug, und auf Seite 156 zitieren sie Reverend Walters Bestätigung, dass 1817 in Palmyra eine Wiedererweckungsbewegung stattfand… die Zweideutigkeit von Joseph Smiths eigener Datierung lässt das Jahr 1820 nicht zu, als dass man darauf als das einzige Datum für eine Wiedererweckungsbewegung, das Datum oder beides bestehen könnte… viele Mormonenschreiber interpretierten bis vor kurzem Joseph Smiths Aussage von 1838 über den Ort der religiösen Aufregung (‚…an dem Ort, wo wir wohnten… in jener Region der Grafschaft, in der Tat schien der gesamte Distrikt des Landes davon ergriffen zu sein…’) so, als würde es bedeuten, dass es in Palmyra 1820 keine Wiedererweckungsbewegung gab, und deshalb behaupten er und die Tanners, dass sie die Geschichtlichkeit der Vision widerlegt hätten, wobei sie nur gezeigt haben, dass Mormonenschreiber die skizzenhaften Beschreibungen von der Ersten Vision falsch interpretiert haben. (Jerald and Sandra Tanner's Distorted View of Mormonism, S. 35-36)

Da Joseph Smith zum Zeitpunkt der Wiedererweckungsbewegung von 1817 nur 11 Jahre alt gewesen wäre, bezweifeln wir, dass viele Leute Dr. Clandestines Rekonstruktion ernst nehmen werden. Joseph Smiths Bericht von 1838 sagt, dass er sich zur Zeit der „großen Aufregung“ im „fünfzehnten Lebensjahr“ befand (Köstliche Perle, Joseph Smith, Verse 7-8). Es ist interessant, dass Clandestine zugibt, dass Joseph Smiths frühester Bericht von der Ersten Vision „keine Wiedererweckungsbewegungen oder keine religiöse Aufregung außer seiner eigenen erwähnt…“ (Seite 35)

Mormonenschreiber waren immer vom Buch der Mutter Joseph Smiths abhängig, um zu beweisen, dass sich die Erste Vision tatsächlich ereignete. Dr. Clandestine sagt: „Als Lucy Mack Smith zu den frühen Visionen ihres Sohnes Joseph Smith kam, zitierte sie (oder die für sie schrieben, Howard und Marthy Coray) aus der veröffentlichten Version in den Times and Seasons.(Jerald and Sandra Tanner's Distorted View of Mormonism, S. 20) Die Tatsache, dass Mrs. Smiths Buch Joseph Smiths offiziellen Bericht von der Ersten Vision verwendete, hat viele Mormonen überzeugt, dass sie keine andere Geschichte kannte. Wesley P. Walters hat aber vor kurzem einen „vorläufigen Entwurf“ von Lucy Smiths Manuskript in der Kirchengeschichtlichen Abteilung untersucht. Anstatt von einer Vision vom Vater und dem Sohn im Wald, berichtet Joseph Smiths Mutter, dass es ein Engel war, der Joseph Smith in seinem Schlafzimmer erschien und ihm sagte, dass alle Kirchen falsch wären. Wir meinen, dass dieses Manuskript den Wert von Lucy Smiths Buch als Beweis für die Erste Vision zerstört.

Wesley P. Walters hat eine exzellente Erwiderung auf Dr. Clandestines Arbeit über die Erste Vision geschrieben (siehe Answering Dr. Clandestine: A Response to the Anonymous LDS Historian, Seite 53-55).


 

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Ein Kapitel aus dem berühmten Werk von Jerald und Sandra Tanner "Mormonism - Shadow or Reality?"
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